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Wozu denn Musiktherapie bei Spiel- oder Gamingsucht?!?

20. November 2022

Beim Gamen in der virtuellen Welt bekommen laut dem Verhaltenssuchtspezialisten Renanto Poespodihardjo die Spielenden nicht mit, was im Bereich der nonverbalen Kommunikation liegt. Diese wird demnach nicht trainiert und hat vor allem für früh gestartete Gamer:Innen Folgen. Bei den daraus resultierenden sozialen Interaktionsstörungen kann Musiktherapie entscheidend weiterhelfen.

Die klinische Musiktherapeutin Anne Schnell blickt bei den Kunsttherapietagen in Bern auf die ersten vier Jahre Verhaltenssuchtstation der UPK Basel zurück: Ein Grossteil der Süchtigen leide neben den Folgen ihrer Verhaltenssucht (Gamen, Glückspiel, Einkaufen, Internet, exzessiver Sex, Handy) auch an depressiven Symptomen, konsumiert oft auch Substanzen und ist schnell überfordert in sozialen Kontakten oder in Kontakt mit ihren eigenen Gefühlen. Die Musiktherapie bietet den Betroffenen dabei folgende Chancen:

  • Es gibt keine falschen Töne und es sind in der Musik keine Fehler möglich, was gut ist gegen den niedrigen Selbstwert der meisten süchtigen Patient:Innen.
  • Musik ist ein flüchtiges Medium und somit potenziell wenig einschüchternd. 
  • Das Instrument kann als „lieber Freund“ dienen bis der Umgang mit „lebendigen Freunden“ besser funktioniert. 
  • Die Betroffenen dürfen spielen, spielen, spielen und damit ihren Impulsen auf gesunde Weise ein Stück weit nachgehen, wenn sie in die freie Improvisation einsteigen.
  • Es gibt keine Vorurteile und keine Beurteilung, was den oft massiv angeschlagenen Selbstbildern guttut.

Anne Schnell weist auf das Phänomen der Rauschmusik hin, das im Gegensatz zum Flow-Erleben kontaktlos stattfindet und so am Ziel der Musiktherapie vorbeigeht.

Hinweise auf Rauschmusik sind, wenn die Musik

  • immer schneller und lauter wird.
  • kein Ende findet.
  • Trance evoziert.
  • die Traum- oder Parallelwelten unterstütz wird, die z.B. Gamesüchtige der terrestrischen Welt vorziehen.
  • in der Symbiose hält, was das gesunde und erwünschte Selbsterleben als Individuum verhindert.

Zu Gunsten der Begegnung mit dem Menschen hinter der Sucht ist in der Musiktherapie die Rauschmusik untersagt. Das sich in die freie Improvisation „Fallenlassen“ darf jedoch sein und geübt werden. Und gleichzeitig kann fast nebenbei die Übernahme von Verantwortung trainiert werden. 

Musiktherapie bei Gaming- oder Spielsucht gibt Betroffenen die Chance zu erleben, dass SIE die MUSIK SPIELEN und nicht umgekehrt. 

Rahel Roth-Sutter